Ein Rührstück der ganz besonders abgeschmackten Sorte findet sich heute in der Printausgabe der “Süddeutschen Zeitung” auf Seite 3. Laut Überschrift geht es um Deutschlands Mittelschicht, die zwar nicht arm sei, aber immer ärmer werde. Porträtiert werden vier Familien samt ihren Wünschen, Sorgen und finanziellen Möglichkeiten.
Darunter sind traurige Gestalten wie Reinhard und Jana Schäfertöns. Das Paar mit 3 Kindern hat es schwer getroffen: Man wohnt im spießigen Falkensee, weil man sich den hippen Prenzlauer Berg nicht leisten kann; man muss von Mitte aus eine halbe Stunde mit dem Zug bis nach Brandenburg fahren; das Auto (3 Jahre alter Dacia - welch Zumutung!) wird quasi nicht benutzt, weil das Benzin zu teuer ist; deshalb fährt man das Kind mit dem Fahrrad zur Kita; man muss bei Discountern einkaufen; man muss - ich kann es kaum schreiben, so schmerzhaft ist es - in den Ferien nach Usedom fahren, statt nach Dubai oder Florida; eine kaputte Waschmaschine muss man reparieren lassen (für 300 Euro!), eine neue sei zu teuer; der einzige Luxus, den man sich gönne: dreimal im Jahr ins Konzert gehen; Tickets zu kleineren Reisen muss man zum Sparpreis kaufen.
Man sieht, die Schäfertöns sind vom Schicksal schwer gezeichnet. Das wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, mit welcher Fronarbeit sich der Herr verdingen muss: Er ist Professor und Dekan an der Hochschule für Künste und wird mit lächerlichen 4.916 Euro brutto abgespeist (Schäfertöns: “Eigentlich zu wenig”). Seine Frau verdingt sich als Geigenlehrerin für 800 Euro im Monat - obwohl sie studiert hat! Bei dem resultierenden Nettoeinkommen von rund 4.000 Euro kann man nun wirklich keine großen Sprünge machen, geschweige denn etwas für eine neue Waschmaschine zurücklegen. Gottseidank muss er ja wenigstens dank seiner obszön hohen Beamtenpension an die private Altersvorsorge keinen Gedanken verschwenden. Sonst könnte man ja direkt Mitleid kriegen.